Read, Debate: Engage.

Trotz Verbot: Prostitution von Kindern blüht in Thailand

03. September 2023
Thema:Kinderrechte
tags:#Prostitution, #Thailand, #Kindesmissbrauch, #Pädophile
located:Thailand
Von:Hanan Zaffar, Katharina Höftmann Ciobotaru
Eigentlich könnten es gute Nachrichten sein: Die thailändische Tourismusindustrie, beliebt für ihr pulsierendes Nachtleben und luxuriösen Strände, erholt sich nach dem Einbruch während der Corona-Pandemie wieder. Doch der erfreuliche wirtschaftliche Aufschwung hat auch seine Schattenseiten, bedeutet er doch die Rückkehr des berüchtigten Sextourismus in Thailand – ein Sextourismus, mit dem seit jeher Kindesmissbrauch ganz eng verknüpft ist.

Die Schließung der Grenzen des Landes im Jahr 2020 als Reaktion auf die COVID-19-Pandemie in Thailand hatte zur Folge, dass es für die Sexarbeiter:innen des Landes kaum ausländische Kunden gab. 35 Prozent von ihnen hatten keinen Zugang zu staatlichen Hilfszahlungen; einigen wurde die finanzielle Unterstützung der Regierung verweigert, nachdem sie sich als Sexarbeiter:innen zu erkennen gegeben hatten, während andere über ihren Beruf lügen mussten, um Zahlungen zu erhalten. Viele wechselten in Jobs außerhalb der Sexindustrie. Das Ministerium für Frauenangelegenheiten und Familienentwicklung teilte mit, dass es Sexarbeiter:innen mit Hilfsgütern und Berufsausbildung versorge. Es erklärte auch, dass es plane, das Prostitutionsgesetz des Landes zu ändern, um ihnen den Zugang zu Sozialleistungen zu ermöglichen, da nur 5 Prozent der Prostituierten in das thailändische Sozialversicherungssystem einbezogen seien.

In einem Bericht des Gemeinsamen Programms der Vereinten Nationen für HIV/AIDS (UNAIDS) aus dem Jahr 2014 heißt es, dass in Thailand mehr als 123.530 Personen in der Sexarbeit tätig sind, wobei fast 40 Prozent von ihnen Kinder oder Minderjährige unter 18 Jahren sind.

Manche der Mädchen und Jungen sind gerade einmal acht Jahre alt. Sie stammen aus armen Familien und werden in ganz Thailand in die Prostitutionsindustrie gezwungen, wo sie von Einheimischen für das Geld von Pädophilen und ausländischen Sextouristen ausgebeutet werden.

Kinderprostitution ist lukrativer als die Sexindustrie für Erwachsene, und da Thailand das Land mit dem weltweit größten Einkommens- und Vermögensgefälle ist, greifen einige thailändische Familien auf die Prostitution ihrer Kinder zurück, um über die Runden zu kommen.

Wie ein Bericht der Unicef zeigt, haben sich die Gründe, warum Kinder in die Prostitution getrieben werden, aber im Laufe der Jahre geändert. „Früher taten sie es, um ihre Familien zu unterstützen“, erklärt Nathee Sornwaree, ein Sozialarbeiter bei der Stiftung Issarachon, die sich an Sexarbeiterinnen und Menschen, die auf der Straße leben, wendet. „Aber die Gesellschaft verändert sich. Jetzt tun es Kinder aus ärmeren Verhältnissen, um Geld für Smartphones und andere Konsumgüter zu bekommen, die sie sich sonst nicht leisten könnten. Wir sehen auch immer mehr schwule und transsexuelle Sexarbeiter. Über soziale Medien können sie sich leichter mit Kunden treffen.“

In Thailand ist das Anbieten von Sex illegal, so dass die Betroffenen nicht zur Polizei gehen können, um Hilfe zu erhalten. „Sexarbeiter:innen bekommen oft Ärger mit der Polizei“, sagt Nathee, „Wenn sie unter 18 sind, können sie in eine Jugendstrafanstalt eingewiesen werden. Was sie oft am meisten brauchen, ist ein Freund, eine Freundin, jemand, der sie nicht verurteilt. Die meisten von ihnen wissen über HIV Bescheid, aber sie denken nicht an andere sexuell übertragbare Krankheiten.“

Der Beitrag der Sexindustrie zum Bruttoinlandsprodukt Thailands kann aufgrund der illegalen Durchführung nur vermutet werden: Im Jahr 2015 schätzte das Schwarzmarktforschungsunternehmen Havocscope ihn auf jährlich 6,4 Milliarden Dollar, was etwa 1,5 Prozent des thailändischen BIP in jenem Jahr entsprach.

Laut dem Safe Child Report 2017 haben es Menschenhändler in Thailand vor allem auf Kinder aus verarmten ländlichen Gegenden und ethnischen Minderheitenregionen abgesehen. Kinder sind in Pattaya, Phuket und Nordthailand besonders gefährdet, wobei Straßenkinder die Hauptzielscheibe für Kinderpornografie sind. In Pattaya waren im Jahr 2015 90 Prozent der 200 befragten Straßenkinder Opfer eines solchen Missbrauchs.

Obwohl Sexarbeit in Thailand gesetzlich verboten ist, sind die Gesetze unklar und werden nur unzureichend durchgesetzt. Sexuelle Dienstleistungen, auch von Minderjährigen, sind in prominenten Rotlichtvierteln wie Patpong in Bangkok sowie in Massagesalons, Go-Go-Bars oder Karaoke-Bars, in denen Sex im Mittelpunkt steht, leicht zugänglich.

Mehrere NRO in Thailand haben damit begonnen, den Kinderhandel zu bekämpfen. Ihre Arbeit besteht darin, Tausende von vermissten oder gehandelten Kindern aufzuspüren und sie aus Zwang und Ausbeutung der Sexarbeit zu befreien. Eine dieser lokalen Organisationen wurde 2011 von Boom Mosby, einem prominenten Fürsprecher für die Opfer von sexuellem Missbrauch an Kindern, gegründet. Die Initiative HUG Project in Chiang Mai arbeitet mit Strafverfolgungsbehörden und der Regierung zusammen, um den Kindersexhandel zu verhindern. Bislang wurden im Rahmen des Projekts 141 Kinder, die Opfer von Sex- oder Menschenhandel geworden sind, unterstützt und 942 Schulungsworkshops für Strafverfolgungsbehörden abgehalten.

Diese Nichtregierungsorganisationen leisten aktive Aufklärungsarbeit und unterstützen gefährdete Gemeinschaften durch Bildungsinitiativen, Rehabilitationsmaßnahmen für Überlebende, Nachsorgeleistungen und die Zusammenarbeit mit thailändischen Entscheidungsträgern.

Eine Kombination aus staatlich geleiteten Schutzinitiativen und gemeinsamen Bemühungen soll helfen, gerettete Kinder zu rehabilitieren. Die NRO nutzen auch kreative Mittel wie soziale Medien, um das Bewusstsein zu schärfen und Spenden zu gewinnen. Sie haben innovative Apps wie PROTECT-U eingeführt, die die Opfer über ihre Rechte informieren, auf Schutzeinrichtungen hinweisen und zur Meldung von Menschenhandel auffordern.

Artikel geschrieben von:
hanan-zaffar-e1654186874960.1654186874
Hanan Zaffar
Autor:in
.
ecco_katharina_hoeftmann
Katharina Höftmann Ciobotaru
Autor:in
Thailand
Embed from Getty Images
Barmädchen halten Schilder vor Bars entlang der Walking Street, wo Bars und Sexszenen an der Tagesordnung sind, 31. Juli 2016 in Pattaya, Thailand. Die erste weibliche Tourismusministerin Thailands möchte, dass der Sexhandel, der im Land ein großes Geschäft ist, verboten wird. Touristen strömen nach Thailand wegen vieler Sehenswürdigkeiten, darunter schöne Strände, aber auch wegen des Sextourismus. Städte wie Bangkok und Pattaya sind als Zentren des südostasiatischen Sexhandels bekannt, obwohl Prostitution in Thailand seit 1960 illegal ist.
© Paula Bronstein/ Getty Images
Embed from Getty Images
Die Pride-Parade 2023. Die SWING-Stiftung (Service Workers in Group) veranstaltete in Pattaya, Thailand, eine Community Pride Parade, an der Sexarbeiter, Aktivisten und LGBTQs teilnahmen. Die Stiftung setzt sich für die Gesundheitsversorgung und die Menschenrechte von Sexarbeitern ein.
© Chaiwat Subprasom/NurPhoto via Getty Images
.
.