01. Februar 2024 | |
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Thema: | Frieden und Koexistenz |
located: | Taiwan, China |
Von: | Vanesse Chan |
William Lai Ching-te hat die Präsidentschaftswahl haushoch gewonnen, wenn auch seine Partei DPP im neuen Parlament, den Legislativ-Yuan, die absolute Mehrheit verloren hat. Peking verunglimpft den Kandidaten als Separatist und wird mit den Wahlergebnissen unzufrieden sein. Die Streitigkeiten um die Souveränität Taiwans sind seit Generationen ein Problem. Im Jahr 1992 einigten sich China und Taiwan mündlich auf die Ein-China-Politik, die es ihnen ermöglichte, Dialoge zu führen, ohne die heikle Souveränitätsfrage zu berühren.
Später haben beide Seiten den Begriff „Souveränität“ unterschiedlich interpretiert. Während Peking Taiwan als sein eigenes Territorium betrachtet, sieht sich Taiwan als legitimes Regierungsorgan dieser Entität und weist die Souveränitätsansprüche zurück.
Die zwei großen Parteien in Taiwan - die regierende Demokratische Fortschrittspartei (DDP) und die konservative Kuomintang-Partei (KMT) - haben beide erklärt, Taiwan sei ein souveränes Land. Die DDP betrachtet Taiwan jedoch als unabhängiges Land, während die KMT die Insel als Teil Chinas betrachtet und die Unabhängigkeit nicht unterstützt.
China hat die Wahlen genau beobachtet
China hatte die Wahlen auf der Insel genau beobachtet und sie zuvor als „eine Wahl zwischen Krieg und Frieden“ bezeichnet. Das Büro für Taiwan-Angelegenheiten, eine Organisation auf dem chinesischen Festland, erklärte, das Ergebnis entspreche nicht der vorherrschenden Meinung und das Büro sei „entschieden gegen die Unabhängigkeit Taiwans“.
Lai Ching-te, der die Nachfolge von Tsai Ing-wen angetreten hat, nannte das Ergebnis hingegen einen „Sieg für die Gemeinschaft der Demokratien“. Er und sein neuer Vizepräsident Hsiao Bi-khim schworen, Taiwan gegen Chinas „Einschüchterung“ zu verteidigen.
Der Sprecher des chinesischen Außenministeriums sagte Reportern nach der Wahl, dass „Taiwan ein Teil Chinas ist“, und Präsident Biden erklärte, dass die USA die Unabhängigkeit Taiwans nicht unterstützen.
Das chinesische Büro für Taiwan-Angelegenheiten hatte zuvor erklärt, Lai sei ein „hartnäckiger und pragmatischer Verfechter der taiwanesischen Unabhängigkeit“, und hinzugefügt, dass seine Wahl eine „gefährliche“ Situation an der Meerenge schaffen werde.
Starke Reaktion
Chinas Reaktion wird zukünftig jedoch sicher stärker ausfallen als die bisherige Rhetorik. „Auf den Sieg der DPP wird Peking wahrscheinlich mit rhetorischer Kritik aber auch mit gezielten Wirtschaftssanktionen gegen ausgewählte taiwanesische Exporte und mit einer Machtdemonstration reagieren“, so Wen-ti Sung, Politikwissenschaftler am Taiwan Studies Programme der Australian National University, gegenüber FairPlanet.
Er fügt hinzu, dass wirtschaftliche Drohungen Pekings im Vorfeld der Wahl „mehr taiwanesische Wähler dazu brachten, die eher taiwanesisch-nationalistischen Kandidaten zu unterstützen - genau das Gegenteil von Pekings politischem Ziel“.
„Die Beziehungen zwischen den USA und China werden sich durch die Wahlergebnisse kurzfristig nicht ändern, und ein Krieg wird in nächster Zukunft wohl kaum ausbrechen“, glaubt Wei-Ting Yen, Assistenzprofessor am Franklin and Marshall College in Pennsylvania.
„China hat innenpolitisch viel zu tun“, erklärt sie und fügt hinzu, dass ein militärischer Angriff auf Taiwan nicht die Priorität von Chinas Präsident Xi ist.
Der Sieg zeige, dass die Taiwaner den Ansatz ihrer ehemaligen Staatschefin Tsai Ing-wen unterstützen, sich weiterhin mit der Welt zu engagieren und starke Beziehungen zu den USA aufzubauen.
Für viele Taiwaner war die Wahl von großer Bedeutung: Hunderte von Reisenden trafen am Samstagmorgen mit ihrem Gepäck am Bahnhof von Kaohsiung im Süden Taiwans ein, da viele von ihnen in ihre Heimatstadt zurückkehrten, um an der entscheidenden Abstimmung teilzunehmen. In der Nähe des Bahnhofs sagte die 26-jährige Joy Li, sie sei am frühen Morgen von Tai Chung in ihre Heimatstadt Koahshiung gereist, um für den „nationalen Führer“ zu stimmen.
Während Lai im Süden der Insel, in Tainan, einer traditionell von der DPP dominierten Region, die Mehrheit der Stimmen erhielt, zeichnete sich im Vorfeld der Wahlen in anderen Gegenden ein Umschwung der Unterstützung ab, da einige mit der Leistung der Regierungspartei unzufrieden waren.
Nicht alle sind mit der aktuellen Regierung zufrieden
In den Straßen von Kaohsiung erklärte ein Händler, der traditionelles Süßgebäck herstellt, gegenüber FairPlanet, er sei „wütend“ auf die DPP-Regierung, obwohl er vor acht Jahren für die derzeitige Präsidentin Tsai Ing-wen gestimmt hatte, in der Hoffnung, dass sie dem taiwanesischen Volk eine bessere Zukunft bringen würde.
Jetzt sagte der 43-Jährige, habe er für Ko Wen-je gestimmt, den Vorsitzenden der Mitte-Links-Partei Taiwans (TPP) und ehemaligen Bürgermeister von Taipeh, der vor seinem Eintritt in die Politik Chirurg war. Er fügte hinzu, dass Ko ein „pragmatischer“ Arbeiter sei, der im Falle seiner Wahl hoffentlich inländische Probleme wie die Wohnungspreise lösen könne. Das Auftauchen von Ko hat die Politik erschüttert. Er hat eine leidenschaftliche Anhängerschaft, die zumeist aus jungen Menschen besteht.
Eine Unterstützerin des gewählten Lai, die 30-jährige Jenny, berichtet gegenüber FairPlanet, dass viele ihrer Freunde anders als sie bei dieser Wahl für Ko gestimmt haben, den Mann, der die politische Landschaft, die lange Zeit von den beiden großen Parteien dominiert wurde, aufmischen will.
„Fehlinformationen haben Taiwan infiltriert. Die Leute denken zum Beispiel, dass Tsais Regierung schlecht mit COVID-19 umgegangen ist, aber in Wirklichkeit haben wir uns im Vergleich zu vielen anderen Ländern in der Welt ziemlich gut geschlagen“, erklärt sie diesen Umschwung.
„Das taiwanesische Volk wird nicht zulassen, dass China in unser Territorium eindringt“, sagte Jenny auf einer Wahlkampfveranstaltung am Samstagabend zur Unterstützung der DPP. Sie lobte außerdem die derzeitige Präsidentin Tsai Ing-wen und hat große Erwartungen, dass Lai die gleiche diplomatische Politik beibehalten und China gegenüber standhaft bleiben wird.
Auf der Wahlkundgebung der DPP jubelte die Menge, als Lai mit mehr als 5,5 Millionen Stimmen 40 Prozent der Stimmen erhielt.
„Die ganze Welt kann Taiwans Freiheit und Demokratie sehen“, sagte Chuang, ein Unterstützer der DPP. Der 70-Jährige sagte weiter, er befürchte, dass Taiwan das „nächste Hongkong“ werden könnte - wo Chinas umfassende politische Unterdrückung in vollem Gange ist -, wenn die Kuomintang (KMT) gewählt wird.
Sein Gegenkandidat Hou Yu-ih von der größten Oppositionspartei KMT kam mit fast 4,7 Millionen Stimmen auf den zweiten Platz, gefolgt von Ko Wen-je von der Taiwanischen Volkspartei, der nur etwa ein Viertel der Gesamtstimmen (26 Prozent) erhielt.
Der 58-jährige Chao, der für die KMT-Partei Hou für Frieden und Wohlstand gestimmt hat, sagte, er sei „etwas enttäuscht“, mache sich aber keine Sorgen, dass in nächster Zeit ein Krieg ausbrechen könnte.
Die militärischen Spannungen in der Meerenge hatten sich jedoch schon Wochen vor den Wahlen verschärft. Anfang Januar schickte Peking vier Ballons über die Insel, von denen drei in der Nähe eines wichtigen Luftwaffenstützpunkts schwebten. Tage vor den Wahlen schoss China außerdem einen „astronomischen“ Satelliten über den Himmel Taiwans und löste damit einen inselweiten Alarm aus.
Diese Signale, so der taiwanesische Politikwissenschaftler Yen, konnten als Chinas „starke Absicht interpretiert werden, die Wähler davon zu überzeugen, für einen Nicht-DPP-Kandidaten zu stimmen“.