26. Juli 2023 | |
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Thema: | Politische Gewalt |
Von: | Katharina Höftmann Ciobotaru |
Es ist der erste größere Gesetzesentwurf, der im Rahmen der Justizreform der aktuellen israelischen Regierung verabschiedet wurde. Die regierenden Parteien bestätigten den Gesetzentwurf mit 64 Stimmen geschlossen, und dass, obwohl Insider berichten, dass es durchaus gerade innerhalb der von Premier Benjamin Netanyahu geführten Likud-Partei auch kritische Stimmen gegenüber den aktuellen Geschehnissen im Land gibt. Die gesamte 56-köpfige Opposition boykottierte die Abstimmung aus Protest. Versuche in letzter Minute, das Gesetz zu ändern oder eine umfassendere Einigung mit der Opposition zu erzielen, scheiterten, nachdem zwei Kompromissvorschläge eines Gewerkschaftsführers und des Staatspräsidenten Isaac Herzog am Sonntag abgelehnt worden waren.
Heftige Proteste im ganzen Land
Als Reaktion auf die Entscheidung gab es landesweit, vor allem in Tel Aviv und Jerusalem, heftige Proteste. Friedliche Demonstranten wurden abermals von einer immer aggressiver werdenden israelischen Polizei angegriffen, in Jerusalem schoss die Polizei sogenanntes „Skunk Water“ auf Demonstranten, eine extrem stinkende Flüssigkeit, deren Geruch selbst nach mehreren Duschen und Wäschen nicht verschwindet. In Tel Aviv und Jerusalem gab es Dutzende Fälle von Polizeibrutalität, die alle ausführlich dokumentiert sind – die Polizei, die unter dem Ministerium des rechtsextremen Siedlers Itamar Ben Gvir steht, hat bisher jedoch keine offiziellen Ermittlungen gegen betroffene Beamte eingeleitet.
Israelische Aktien verzeichneten derweil Verluste und der Schekel-Kurs sank, der Benchmark-Index TA-125 der Tel Aviver Börse fiel um 2,3 % und der TA-35-Index der Blue-Chip-Unternehmen um 2,2 %, während der TA-90-Index bei Börsenschluss in Tel Aviv um 2,8 % zurückging. Der TA-Index der fünf größten Banken brach um 3,9 % ein und der TA-Insurance & Financial Services-Index sank um 3,1 %.
Warnungen vor wirtschaftlichen Folgen
Hochrangige Vertreter aus Wirtschaft und Politik in Israel wurden bereits in den Tagen vor der Gesetzesverabschiedung von internationalen Rating-Agenturen kontaktiert, die Erklärungen zu den Geschehnissen in Israel verlangten, wie der öffentlich-rechtliche Sender Kan berichtete. Demnach erklärten die Rating-Agenturen, dass das, was in Israel geschehe, den Botschaften widerspreche, die sie in den letzten Monaten von der Regierung erhalten hätten. Auch Vorsitzende großer israelischer Banken hatten sich bereits vor der jüngsten Regierungsentscheidung kritisch geäussert: „Die Investoren, mit denen wir in den letzten Monaten gesprochen haben, sind sehr besorgt über die einseitigen Maßnahmen, und ihre und natürlich auch unsere Besorgnis über die Spaltung des Landes führen dazu, dass sie ihre Investitionen stoppen und so ein Schaden verursacht wird, der irreversibel und zerstörerisch für die israelische Wirtschaft sein könnte“, sagte Hanan Friedman, CEO von Leumi.
Auch hunderte Vertreter der israelischen Armee protestieren immer lauter gegen die Geschehnisse im Land: Mehrere Eliteeinheiten, darunter viele Piloten, haben angekündigt, ihren Reservedienst einzustellen. Ehemalige Chefs der Streitkräfte warnen, dass diese Proteste langfristige und gefährliche Folgen für die Sicherheit des Landes haben könnten.
Die Regierung, die aus vielen Vertretern besteht, die nicht in der israelischen Armee gedient haben, die Minister Itamar Ben Gvir und Bezalel Smotrich beispielsweise wurden als zu extremistisch eingestuft, um zu dienen, viele andere Regierungsmitglieder wiederum sind ultra-orthodox, eine Gruppe die grundsätzlich nicht in der Armee dient, scheint bisher ungerührt von den heftigen Protesten im Land. Das nun auf den Weg gebrachte Gesetz, sei, so Stimmen der Regierung, erst der Anfang. Israel verfügt über keine Verfassung, weswegen dem Obersten Gerichtshof eine wichtige Rolle bei der Kontrolle von Regierungsentscheidungen zukommt. Sollte diese Kontrolle jedoch weiter ausgehöhlt werden, kann die rechtsextremste Regierung, die der jüdische Staat je hatte, im Prinzip beschließen, was sie will.