14. Mai 2022 | |
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Thema: | Freie Meinungsäußerung |
Von: | Katharina Höftmann Ciobotaru |
Die Organisation Reporter ohne Grenzen erklärt in ihrem aktuellsten Bericht, dass noch nie eine so hohe Zahl von inhaftierten Journalist:innen registriert wurde. Am 1. Dezember 2021 befanden sich insgesamt 488 Journalist:innen aufgrund ihrer Arbeit im Gefängnis - ein Anstieg um 20 Prozent innerhalb eines Jahres. Dieser außergewöhnliche Anstieg der willkürlichen Verhaftungen ist vor allem auf drei Länder zurückzuführen: Myanmar, Belarus und Hong Kong. Der Bericht zeigt auch eine Rekordzahl inhaftierter Journalistinnen auf: 60 befinden sich derzeit wegen ihrer Arbeit im Gefängnis - ein Drittel mehr als im Jahr 2020. Im Vergleich dazu ist die Zahl ihrer männlichen Kollegen im Gefängnis nur um 19 Prozent gestiegen. Dieser Anstieg zeigt nicht nur, dass immer mehr Frauen in dem Beruf arbeiten, sondern er weist auch auf bestimmte regionale Besonderheiten hin.
China inhaftiert die meisten Journalist:innen
China ist nach wie vor das Land, in dem weltweit die meisten Journalist:innen inhaftiert sind. Darunter 19 Frauen. Drei von ihnen in Hongkong, die übrigen 16 auf dem chinesischen Festland. Dazu gehören Sofia Huang Xueqin, die für ihr Engagement in der chinesischen #MeToo-Bewegung bekannt ist und wegen des Verdachts der „Anstiftung zum Umsturz der Staatsmacht“ in Einzelhaft sitzt, und Gulmira Imin, die Administratorin der uigurischen Nachrichtenseite Salkin, die wegen „Separatismus“ und „Weitergabe von Staatsgeheimnissen“ zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt wurde.
In Belarus sind im vergangenen Jahr sogar mehr weibliche Journalisten als Männer inhaftiert worden und die ersten beiden Journalistinnen, die 2021 strafrechtlich verurteilt wurden, waren Frauen - Daria Chultsova und Katsiaryna Andreyeva (deren Nachname eigentlich Bakhvalova lautet). Die beiden Reporterinnen von Belsat, einem unabhängigen belarussischen Fernsehsender mit Sitz in Polen, wurden wegen „Organisation und Vorbereitung von Handlungen, die die öffentliche Ordnung grob verletzen“ zu zwei Jahren Lagerhaft verurteilt, nur weil sie live von einer nicht genehmigten Demonstration berichteten. Die längsten Haftstrafen, nämlich jeweils 15 Jahre erhielten zwei Journalisten aus Saudi-Arabien und Vietnam: Ali Aboluhoom, ein Journalist jemenitischer Herkunft wurde verurteilt, weil er mit seinen Tweets nach Ansicht der saudischen Behörden „Ideen der Apostasie, des Atheismus und der Gotteslästerung“ verbreitet hatte. In Vietnam wurde Pham Chi Dung im Januar wegen „regierungsfeindlicher Propaganda“ bestraft. Die Verurteilung war sinnbildlich für die härtere Gangart der derzeitigen Führung der Kommunistischen Partei in Hanoi. Dung gründete die Unabhängige Journalistenvereinigung Vietnams, eine Anomalie in einem Land, in dem sich alle Medien an die Vorgaben der Propagandaabteilung halten müssen.
Zahl der getöteten Journalist:innen leicht gesunken
Immerhin ist die Zahl der Journalist:innen die 2021 bei der Arbeit oder wegen ihrer Arbeit getötet wurden, leicht gesunken: Der Bericht verzeichnete im Jahr 2021 (vom 1. Januar bis 1. Dezember) insgesamt 46 Journalisten und Medienschaffende, die im Zusammenhang mit ihrer Arbeit getötet wurden. Dies ist die niedrigste Zahl seit fast 20 Jahren. Man muss bis 2003 zurückgehen, um ein weiteres Jahr mit weniger als 50 getöteten Journalisten zu finden. Der sich seit 2016 beschleunigende Abwärtstrend ist vor allem auf die Entwicklungen in regionalen Konflikten (in Syrien, Irak und Jemen) und die Stabilisierung der Kriegsfronten nach den besonders tödlichen Jahren 2012 und 2016 zurückzuführen. Dennoch wird immer noch durchschnittlich fast ein Journalist pro Woche im Zusammenhang mit seiner Arbeit getötet.
Die Zahl der getöteten Journalistinnen ist von zwei im letzten Jahr auf vier im Jahr 2021 gestiegen, während der Anteil mit 9 Prozent den höchsten Stand seit 2017 erreicht hat. Dies ist zum Teil auf den Rückgang der Gesamtzahl der Todesopfer und zum Teil auf den Tod von drei afghanischen Medienmitarbeiterinnen - Shahnaz Roufi, Saadia Sadat und Mursal Vahidi - zurückzuführen, die im März bei zwei gezielten Angriffen in der östlichen Stadt Dschalalabad getötet wurden, zu denen sich der Islamische Staat bekannte. Das vierte weibliche Opfer war Rasha Abdallah Alharazy, eine jemenitische Fernsehreporterin, die im November bei einem gezielten Autobombenanschlag in Aden, der provisorischen Hauptstadt des Jemen, getötet wurde.
Vier Frauen wurden Opfer von gezielten Tötungen
Diese vier Frauen wurden Opfer von gezielten Tötungen, ebenso wie 26 weitere Journalisten. Das bedeutet, dass fast zwei Drittel (65 Prozent) der im Jahr 2021 getöteten Journalisten vorsätzlich umgebracht wurden. Dieser Anteil ist zwar geringer als im Jahr 2020, als eine Rekordzahl von 85 Prozent der getöteten Journalisten gezielt getötet wurde, liegt aber dennoch leicht über dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre. Die meisten Journalist:innen wurden in Mexiko, Jemen, Indien, Pakistan und Afghanistan getötet.
Mindestens 65 Journalisten und Medienmitarbeiter werden derzeit auf der Welt als Geiseln gehalten, das sind zwei mehr als im letzten Jahr. Alle wurden in drei Ländern des Nahen Ostens entführt, Syrien (44), Irak (11) und Jemen (9), mit Ausnahme von Olivier Dubois, einem französischen Journalisten, der 2021 in Mali entführt wurde. Trotz des allgemeinen Anstiegs der Zahl der Geiseln wurden im Jahr 2021 einige freigelassen. Vier jemenitische Journalisten wurden freigelassen, ebenso wie Bilal Abdul Kareem, der US-amerikanische Gründer des Propagandamagazins On the Ground News (OGN), der von der Dschihadistengruppe Hay'at Tahrir Al-Sham (HTS) im Norden Syriens entführt worden war.
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