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Kommentar: Gegen Abtreibungen zu sein heißt gegen Frauen zu sein

27. Juni 2022
Thema:Frauenrechte
Von:Katharina Höftmann Ciobotaru
Es waren dramatische Stunden in vielen Kliniken in den USA, in denen Abtreibungen durchgeführt werden. Bis zur letzten Minute hofften Frauen in den Wartezimmern, dass der Oberste Gerichtshof die sogenannte Roe v. Wade Grundsatzentscheidung nicht kippen würde: Aber sechs Richter:innen entschieden sich dafür. Damit ist die USA eines von nur vier Ländern, die in den letzten 25 Jahren den Schutz der legalen Abtreibung aufgehoben haben. Abtreibungen sind nun in den USA nicht mehr landesweit bis zur Lebensfähigkeit des Fötus (etwa 24. Schwangerschaftswoche) erlaubt, sondern die Bundesstaaten können selbst Regelungen erlassen. Insgesamt wird geschätzt, dass etwa in der Hälfte der Bundesstaaten Abtreibung wieder illegal wird.

Für Frauen in christlich-konservativ geprägten Bundesstaaten wie Texas, Alabama, Utah oder South Dakota ist ein Schwangerschaftsabbruch quasi unmöglich geworden. Über weite Landstriche haben Frauen nun in der USA nicht mehr die Möglichkeit, selbst über ihren Körper zu entscheiden. Selbst zu entscheiden, ob sie ein ungewolltes Kind abtreiben oder doch behalten möchten. Das schließt Frauen ein, die durch Vergewaltigungen oder als Teenager schwanger geworden sind. Es schließt zum Teil Frauen ein, deren Gesundheit durch eine Schwangerschaft bedroht wird. Es schließt Frauen ein, die ein schwerstbehindertes Kind austragen. Es schließt aber auch diejenigen ein, die einfach ungewollt schwanger geworden sind und das Kind schlichtweg nicht wollen.

Nach Angaben der WHO werden jährlich weltweit etwa 73 Millionen Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen. Sechs von zehn (61 Prozent) aller ungewollten Schwangerschaften und drei von zehn (29 Prozent) aller Schwangerschaften enden mit einem induzierten Abbruch. Abtreibungsverbote führen in der Regel nicht zu weniger Abbrüchen, sondern nur zu unsichereren. Weltweite Schätzungen aus den Jahren 2010-2014 zeigen, dass 45 Prozent aller eingeleiteten Schwangerschaftsabbrüche unsicher sind. Von allen unsicheren Schwangerschaftsabbrüchen wurde ein Drittel unter den unsichersten Bedingungen durchgeführt, d. h. von ungeschulten Personen, die gefährliche und invasive Methoden anwenden.

Die Entwicklungsländer tragen die Last von 97 Prozent aller unsicheren Abtreibungen. Mehr als die Hälfte aller unsicheren Schwangerschaftsabbrüche finden in Asien statt, die meisten davon in Süd- und Zentralasien. In Lateinamerika und Afrika ist die Mehrheit (etwa drei von vier) aller Abtreibungen unsicher. In Afrika findet fast die Hälfte aller Abtreibungen unter den unsichersten Bedingungen statt. Insgesamt sind Abbrüche in 24 Ländern auf der Welt komplett verboten, darunter auch europäische wie Malta oder Andorra. In weiteren 50 Ländern und Regionen sind Schwangerschaftsabbrüche nur dann erlaubt, wenn die Gesundheit der Frau gefährdet ist.

Eine Schwangerschaft ist eine anstrengende Sache, der Körper verändert sich komplett, viele Frauen können, zumindest in den letzten Wochen, nicht mehr so arbeiten wie zuvor und eine Geburt birgt nicht nur Gefahren, sondern kann durchaus traumatisch für viele Frauen sein. All das nimmt man in Kauf, wenn man ein Kind möchte – aber wenn man keines will? Und mit der Schwangerschaft beginnt der lebensverändernde Prozess ja erst. Um ein Kind kümmert man sich mehr oder weniger ein ganzes Leben lang, mindestens 16 bis 18 Jahre sogar ziemlich intensiv: Emotional und finanziell. Wie kann man auch nur eine Frau dazu zwingen, diese Verantwortung ungewollt auf sich zu nehmen? Wie kann man glauben, dass auch nur eine Frau ein Kind unnötigerweise abtreiben würde? Eine Abtreibung ist keine schöne Sache, sie hat oft körperliche und psychische Folgen und die meisten Frauen versuchen sicherlich alles, um die Notwendigkeit eines Schwangerschaftsabbruchs zu verhindern.

Aber es ist ihr Recht, selbst über ihren Körper zu entscheiden. Selbst zu entscheiden, ob sie ein Kind austragen, ihr Leben damit verändern will. Gegen Abtreibungen zu sein, heißt gegen Frauen zu sein.

Artikel geschrieben von:
ecco_katharina_hoeftmann
Katharina Höftmann Ciobotaru
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