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Nur „ja“ heißt „ja“ – Spanien reformiert Gesetz zu sexuellem Konsens

01. September 2022
Thema:Frauenrechte
Von:Abby Klinkenberg
Es ist immer wieder enttäuschend, aber vielleicht nicht überraschend, dass dies überhaupt klargestellt werden muss: Sex ohne aktive und enthusiastische Zustimmung ist Vergewaltigung. Seit dem 25. August sind die spanischen Gerichte nun rechtlich verpflichtet, diese scheinbar selbstverständliche Definition auch wirklich zu implementieren.

Mit der Verabschiedung des spanischen Gesetzes „Nur Ja heißt Ja“ besteht die Hoffnung auf ein wenig mehr Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern: Vergewaltigungen und sexuelle Übergriffen können nun nämlich mit größerer Wahrscheinlichkeit zur Verantwortung gezogen werden.

Die natürliche Folgefrage zu dieser Nachricht wäre, wie wurde das vorher gehandhabt? Nun, bis zur Verabschiedung dieses Gesetzes „mussten Vergewaltigungsopfer beweisen, dass sie Gewalt oder Einschüchterung ausgesetzt waren“. Im Jahr 2016 rückte die eklatante Unzulänglichkeit dieser Regelung in den Fokus der Aufmerksamkeit, nachdem eine 18-jährige Frau während des Stierlaufs in Pamplona von fünf Männern brutal vergewaltigt worden war. Auf einem von den Tätern aufgenommenen Video war die Frau „schweigend und passiv zu sehen - was die Richter als Zustimmung interpretierten“. Der Irrsinns dieser Interpretation führte dazu, dass die fünf Männer von der Anklage der Vergewaltigung freigesprochen und nur wegen sexueller Nötigung verurteilt wurden. Dies wiederum führte zu Massenprotesten im ganzen Land und einer spanischen Variante der #MeToo-Bewegung (#Cuéntalo, „erzähle deine Geschichte“). Das Urteil wurde 2019 aufgehoben und der oberste Gerichtshof Spaniens verurteilte die fünf Männer wegen Vergewaltigung zu fünfzehn Jahren Gefängnis. Das Gesetz „Nur Ja heißt Ja“ korrigiert endlich die beschämende Lücke im spanischen Strafrechtssystem: Nun wird „die Zustimmung nur dann anerkannt, wenn eine Person sie freiwillig durch Handlungen signalisiert hat, die im Kontext der Umstände des Falles eindeutig den Willen der Person zum Ausdruck bringen.“

Mit der Einführung einer auf Konsens basierenden Definition von Vergewaltigung stimmt Spanien mit dem Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt - auch bekannt als Istanbul-Konvention - überein, das 2014 in Kraft getreten ist. Artikel 36 des Abkommens verpflichtet die Vertragsparteien, „nicht einvernehmliche sexuelle Handlungen“ unter Strafe zu stellen. Zwar haben 20 der 27 EU-Mitgliedstaaten die Istanbul-Konvention ratifiziert, aber nur 12 (darunter Spanien) haben ihre Strafgesetze aktualisiert, um Artikel 36 vollständig zu implementieren. Im Jahr 2020 ergab eine von Amnesty International durchgeführte Analyse von 31 europäischen Ländern, dass nur zehn der derzeitigen EU-Mitgliedstaaten Vergewaltigung als Sex ohne Zustimmung definieren: Belgien, Kroatien, Zypern, Dänemark, Deutschland, Griechenland, Irland, Luxemburg, Malta und Schweden. Innerhalb der letzten zwei Jahre haben nur Slowenien (2021) und jetzt Spanien (2022) ihre Gesetzbücher aktualisiert, um eine durchgängig auf Einverständnis basierende Definition von Vergewaltigung umzusetzen; es wird erwartet, dass Finnland und die Niederlande in naher Zukunft folgen.

Nachdem die Istanbul-Konvention 2014 in Österreich und Portugal in Kraft getreten war, änderten beide Länder ihre gesetzlichen Definitionen von Vergewaltigung. Während Österreich 2016 eine Bestimmung in sein Strafgesetzbuch aufnahm, die sicherstellen soll, dass die „Verletzung der sexuellen Integrität“ ordnungsgemäß unter Strafe gestellt wird, „deckt diese unter Umständen Situationen, in denen das Opfer nicht NEIN sagt oder sein NEIN nicht deutlich zeigt, nicht ab“. In ähnlicher Weise aktualisierte Portugal 2015 seine Definition von sexueller Nötigung, „um sexuelle Handlungen zu erfassen, die ohne Gewalt oder Drohung begangen werden“, aber die Formulierung „reicht möglicherweise nicht aus, um endgültig von der langjährigen Praxis der portugiesischen Gerichte abzuweichen, den Nachweis des Widerstands des Opfers zu verlangen, um den Täter zu verurteilen“. Obwohl diese aktualisierten Definitionen besser mit der Istanbul-Konvention übereinstimmen, muss noch mehr getan werden, um die Lücken zu schließen, die dazu führen, dass Überlebende von Vergewaltigungen keine Gerechtigkeit erfahren.

Diese rechtlichen Definitionen sind nicht nur Paragraphen in Akten - sie stehen in direktem Zusammenhang mit der Sicherheit von Frauen. Ihre Konturen bestimmen, ob die Täter von sexueller Gewalt zur Rechenschaft gezogen werden. Zwei Jahre nachdem Schweden sein Gesetzbuch mit Artikel 36 der Istanbul-Konvention in Einklang gebracht hatte, stiegen die Verurteilungsraten bei Vergewaltigungen um 75 Prozent. Die kürzliche Verabschiedung des spanischen Gesetzes „Nur Ja heißt Ja“ verspricht eine ähnlich höhere Gerechtigkeit für Überlebende von sexuellen Übergriffen und Vergewaltigungen innerhalb der spanischen Grenzen.

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Abby Klinkenberg
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