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Zahl der Morde in Israel steigt stark an

01. Mai 2023
Thema:Frauenrechte
Von:Katharina Höftmann Ciobotaru
„Als wir dort ankamen, fanden wir eine furchtbare Szene vor“, so beschreibt der Notfallsanitäter Mahmoud Araki die jüngsten Morde in Israel in einer Erklärung an die Presse. „Wir fanden eine Frau, ein Kleinkind und einen Säugling, die bewusstlos waren und Zeichen von Gewalt an ihren Körpern aufwiesen.“ Araki fügt hinzu, dass die Rettungskräfte versuchten, die drei zu retten, aber nicht in der Lage waren, sie wiederzubeleben. Sie wurden noch am Tatort für tot erklärt.

Bei den Ermordeten handelte es sich um Bara'ah Jaber Masarwa, 26, und ihren beiden Söhnen, Amir, 2, und Adam, gerade einmal 6 Monate alt. Ihr Ehemann, dessen Name nicht genannt wurde, wird verdächtigt, die beiden Kinder getötet zu haben, als sie im Bett schliefen, und seine Frau angegriffen zu haben, als sie in der Küche war.

Immer mehr Femizide 

Während häusliche Gewalt auch in Israel seit jeher ein erhebliches Problem ist und die arabische Gemeinschaft im Land seit Jahren mit einem Anstieg tödlicher Verbrechen zu kämpfen hat, sind solche Familienmorde eher selten. Allerdings: Nach einer Aufstellung der Tageszeitung Haaretz wurden in den ersten vier Monaten dieses Jahres bereits 12 Frauen bei mutmaßlichen Femiziden getötet. Nach Angaben der israelischen Beobachtungsstelle für Femizide wurden im ganzen Jahr 2022 insgesamt 24 Frauen getötet, weil sie Frauen waren, gegenüber 16 im Jahr zuvor. Die Zahl steigt also auch hier stark an.

Erst letzten Monat stimmten die Gesetzgeber:innen in der Koalition von Premierminister Benjamin Netanjahu gegen einen Gesetzentwurf, der die elektronische Überwachung von Verdächtigen häuslicher Gewalt mit einer einstweiligen Verfügung vorsieht, da sie sich für eine gerechtere Formulierung gegenüber den überwiegend männlichen Tätern einsetzten. Die Befürworter:innen des Gesetzentwurfs beriefen sich auf Expert:innen, die behaupteten, die Maßnahme würde das Leben von Frauen retten.

Besonders die arabische Gemeinschaft leidet

Bei der ermordeten Mutter und ihren beiden Söhnen handelt es sich um die 62., 63. und 64. Tötungen in der arabischen Gemeinschaft in diesem Jahr, wie aus einer Zählung der Abraham-Initiativen hervorgeht, die die Gewalt in arabischen Gemeinden verfolgt. Die Organisation stellte fest, dass im gleichen Zeitraum des vergangenen Jahres die Zahl der arabischen Opfer 27 betrug - weniger als die Hälfte. Die Zahl der Tötungsdelikte ist in Israel insgesamt erheblich angestiegen. Seit Jahresbeginn gab es 78 Tötungsdelikte, im Vergleich zu 34 im gleichen Zeitraum des Vorjahres, wie aus einer Aufstellung von Haaretz hervorgeht. All das passiert unter dem Minister für nationale Sicherheit Itamar Ben Gvir, der im Dezember sein Amt antrat und sich für die Verbesserung der persönlichen Sicherheit der Bürger einsetzte.

Bei den meisten der Getöteten handelte es sich um Personen, die der Polizei aufgrund ihrer Verbindungen zur kriminellen Welt bekannt waren, was offenbar auf eine Zunahme der organisierten Kriminalität in der arabischen Gemeinschaft hindeutet, so der Bericht. Ein Beamter der Strafverfolgungsbehörden wies auch auf die Verlangsamung eines 2021 gestarteten Programms zur Bekämpfung der Kriminalität in der arabischen Gemeinschaft hin und sagte, dass es jetzt fast keine Zusammenarbeit mit den lokalen Behörden gebe.

Minister für nationale Sicherheit sei "ungeeignet"

Aber auch in der jüdischen Gemeinschaft ist ein Anstieg der tödlichen Gewalt zu verzeichnen, der mit der kürzlichen Entlassung von führenden Unterweltgrößen aus dem Gefängnis oder ihrer Rückkehr von Auslandsaufenthalten zusammenfällt. Vor allem der Chef der Unterwelt, Yossi Musli, wurde vor zwei Wochen aus der Haft entlassen. Seitdem gab es zwei Morde in Holon und Rishon Lezion, von denen die Polizei annimmt, dass sie mit Streitigkeiten zwischen kriminellen Organisationen zusammenhängen.

Am Sonntag bezeichnete ein ehemaliger hochrangiger Polizeikommandant Ben Gvir als ungeeignet für die Leitung der Polizei und beschuldigte den rechtsextremen Gesetzgeber, der Polizei zu schaden und Spaltungen in der Öffentlichkeit zu verursachen. Der ehemalige Jerusalemer Polizeichef Arieh Amit sagte dem Maariv-Radio 103FM, Ben Gvir habe der Polizei stark geschadet. „Er ist der ungeeignetste Mann für diesen Job“, erklärte Amit dem Sender. „Ein verurteilter Verbrecher, ein Unterstützer des Terrorismus, ein Wilder, der nichts von Polizei und Sicherheit versteht und die Polizei brutal an der Arbeit hindert.“

Ben Gvirs Büro erwiderte, dass frühere Polizeichefs über Ben Gvir verärgert seien, weil er Änderungen einführe, die der angeblichen Vetternwirtschaft unter den höheren Dienstgraden und einem veralteten Ansatz bei der Polizeiarbeit ein Ende setzen würden. Ungenannte Polizeiquellen sagten der Zeitung Times of Israel außerdem, der Anstieg der Tötungsdelikte sei darauf zurückzuführen, dass die israelische Polizei mit der Bewältigung einer Welle von Terroranschlägen und mit den Protesten gegen die geplante Justizreform der aktuellen israelischen Regierung beschäftigt sei. Seit Wochen gehen im Land hunderttausende Menschen für die Erhaltung der Demokratie auf die Straße.

Artikel geschrieben von:
ecco_katharina_hoeftmann
Katharina Höftmann Ciobotaru
Autor:in
Frauen in Handmaid\'s Tale-Kostümen bei Protesten gegen die Justizreform in Tel Aviv im Februar 2023.
© Katharina Höftmann Ciobotaru
Frauen in Handmaid's Tale-Kostümen bei Protesten gegen die Justizreform in Tel Aviv im Februar 2023.
Poster gegen den Minister für Nationale Sicherheit, Itamar Ben Gvir bei Protesten gegen die Justizreform im April, 2023.
© Katharina Höftmann Ciobotaru
Poster gegen den Minister für Nationale Sicherheit, Itamar Ben Gvir bei Protesten gegen die Justizreform im April, 2023.
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