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Afghanistans Klimakrise verschlimmert sich unter Taliban Regime

25. August 2023
Thema:Klimawandel
tags:#Afghanistan, #Klimawandel, #Klimakrise, #Politik, #Taliban
Von:Shadi Khan Saif
Hunderte einheimischer Jugendlicher kämpften kürzlich bis spät in die Nacht um die eher ungewöhnlichen Waldbrände in den östlichen Bergen Afghanistans im Frühsommer dieses Jahres zu löschen. Viele Expert:innen gehen davon aus, dass diese Brände in dem vom Klimawandel schwer gezeichneten Land ein wiederkehrendes Phänomen sein werden.

Noor Wali gehörte zu einer örtlichen Jugendbrigade, die von den Ältesten in der Provinz Khost letzte Woche zusammengestellt wurde, als sich plötzlich Brände in den wertvollen Kiefernwäldern der Region auszubreiten begannen, die den Lebensunterhalt der Einheimischen gefährdeten und den schrumpfenden Waldbestand Afghanistans weiter dezimierten.

„Mit bloßen Händen und den wenigen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, sind wir in die Wälder in den Bergen gegangen und haben die Brände unter Kontrolle gebracht“, erzählt Wali FairPlanet am Telefon.

ISOLIERT KÄMPFT AFGHANISTAN MIT FOLGEN DER KLIMAKRISE

Die Taliban, die De-facto-Machthaber des Landes, bestätigten, dass allein in Chost bis zu 30 Hektar Wald abbrannten, nur wenige Tage nachdem ähnliche Brände in einer anderen östlichen Provinz, Nuristan, Verwüstung angerichtet hatten.

Der lokale Paschtu-Dienst der BBC berichtete, dass innerhalb weniger Tage schätzungsweise 68 Hektar Wald niederbrannten.

Die Taliban kündigte an, ein Team von Waldschützern zu ernennen, um die Ausbreitung von Waldbränden zu verhindern – erwähnte dabei jedoch mit keinem Wort den Klimawandel.

Beamte der von den Taliban kontrollierten Umweltschutzbehörde waren für eine Stellungnahme zu dem offensichtlichen Zusammenhang zwischen anhaltenden Dürren und unvorhersehbaren Wettererscheinungen, von denen das Land heimgesucht wird, und Phänomenen wie Waldbränden, Ertragseinbußen und schwerer Nahrungsmittelknappheit nicht zu erreichen.

Safi Khurram, Umweltwissenschaftler an der Universität Kabul, erklärte gegenüber FairPlanet, es bestehe kein Zweifel daran, dass Afghanistan mit den düsteren Auswirkungen des Klimawandels konfrontiert sei. „Mangelnde Niederschläge können angesichts der wärmeren Temperaturen und Dürren zu mehr Waldbränden und einer größeren Ausbreitung über den Osten hinaus führen, und wir müssen dieses Problem bei der internationalen Gemeinschaft ansprechen.“

Allerdings ist das Land seit August letzten Jahres, als die Taliban nach dem Abzug der NATO-Truppen unter Führung der USA die Macht übernahmen, weltweit isoliert. Kein Land hat seitdem die Herrschaft des Islamischen Emirats der Taliban über Afghanistan anerkannt.

Ein ehemaliger hochrangiger EPA-Beamter, der jetzt im Exil lebt, erklärte gegenüber FairPlanet, dass das Land schon vor der Machtübernahme durch die Taliban durch Korruption und einen Mangel an Ressourcen gelähmt war.

„Jetzt, da die Taliban an der Macht sind - die von keinem Land der Welt anerkannt wird - ist der Kampf für das Recht der afghanischen Bevölkerung auf saubere Luft und sauberes Wasser noch härter geworden“, sagte die Quelle, die sich nur anonym äußern wollte.

Fakt ist: Die Temperaturen in Afghanistan sind in den letzten Jahren gestiegen. Einem UNEP-Bericht aus dem Jahr 2016 zufolge ist die durchschnittliche Jahrestemperatur in Afghanistan zwischen 1960 und 2008 um 0,6 °C gestiegen und hat sich seitdem um 1,2 °C erhöht. Dies wiederum hat zu einer Zunahme von Sturzfluten, Flussüberschwemmungen sowie Gletscher- und Schneeschmelzen geführt, wie das Afghanistan Analysis Network letzten Monat berichtete.

DIE INTERNATIONALE GEMEINSCHAFT MUSS EINGREIFEN

Mohammad Assem Mayar, Forscher beim Afghanistan Analysts Network, beschäftigt sich mit den Folgen des Klimawandels auf das Land. Er erklärt, dass die zerrütteten Beziehungen zu den früheren Geldgebern und zum internationalen System im Allgemeinen viele Aktivitäten zur Eindämmung der Folgen des Klimawandels torpediert hätten.

„Die Finanzierung wichtiger Projekte zur Dürrevorbeugung und Wasserbewirtschaftung wie das 222,50 Mio. USD teure Weltbankprojekt zur Entwicklung von Frühwarn- und Reaktionssystemen, das Projekt der Asiatischen Entwicklungsbank zur Entwicklung integrierter Wasserressourcen in Arghandab und das Afghanistan Drought Early Warning Decision Support Tool, das sich in einer Testphase befand, wurden ausgesetzt“, so Assem Mayar in seinem jüngsten Bericht.

Expert:innen befürchten nun, dass die geringe Bodenfeuchtigkeit und die überdurchschnittlichen Temperaturen bis mindestens Ende September anhalten werden.

Und das, obwohl Afghanistan sich bereits jetzt in einer schweren humanitären Krise befindet, denn mehr als 90 Prozent der Bevölkerung sind schon auf irgendeine Art von Hilfe angewiesen.

Da wirkte es geradezu wie Sarkasmus, als die in Afghanistan regierenden Taliban es sich nicht nehmen ließen, den diesjährigen Weltumwelttag zu feiern, der unter dem Motto „Nur eine Erde“ stand. Hafez Aziz-ur-Rehman, Generaldirektor der Nationalen Umweltschutzbehörde, erklärte den Zuhörern bei dieser Gelegenheit, dass die Taliban sowohl lang- als auch kurzfristige Pläne und Mechanismen zum Schutz der Umwelt des Landes vor dem Klimawandel entwickelt haben.

„Afghanistan befindet sich jetzt auf dem Weg der Entwicklung, und die Chancen dafür sollten nicht verpasst werden“, sagte Aziz-ur-Rehman und forderte die internationale Gemeinschaft, insbesondere die großen Verschmutzer, auf, mit ihnen zusammenzuarbeiten, um die Umwelt Afghanistans zu schützen.

Die natürlichen Wälder in Ost-, West- und Nordafghanistan, die durch die jahrzehntelangen Konflikte und die Aktivitäten der Holzmafia bereits verwüstet sind, sind Gegenstand zahlreicher volkstümlicher Legenden. Die für das Land typischen Pistazien- und Piniennussbäume sind eine wichtige Einkommensquelle für die lokalen Gemeinschaften.

Die Bewohner:innen des Bezirks Musa Khel in Chost wissen jedoch kaum etwas über den Klimawandel und wie man ihn bekämpfen könnte, obwohl sie die Wälder als integralen Bestandteil ihres Lebens und ihrer Stammeskultur betrachten. „Der Dschungel ist unser Leben, wir leben von ihm und von der sauberen Luft, die wir atmen können, und wir würden alles tun, um ihn zu schützen“, sagt Wali.

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Artikel geschrieben von:
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Shadi Khan Saif
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© The Image Bank Tuul & Bruno Morandi
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