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COP26 in Glasgow: Ungehörte Stimmen

09. November 2021
Thema:Klimawandel
Von:Edo Perry
Folgen und Lösungen für den Klimawandel sollen in Glasgow auf der Klimakonferenz COP26 diskutiert werden. Aber wie engagiert ist die COP26 wirklich, die Klimakrise zu verhindern? Handelt es sich in Wirklichkeit um ein reines Greenwash-Klimafestival wie Greta Thunberg es bezeichnet?

Derzeit diskutieren die Staats- und Regierungschef:innen der Welt über unsere Zukunft auf der COP26 in Glasgow, der größten und wichtigsten Klimakonferenz der Welt, veranstaltet von den Vereinten Nationen. Vor den Toren des Konferenzgeländes hielt ein Demonstrant auf der Straße ein Schild mit der Aufschrift „Die Geschichte wird euch richten“ hoch. Damit verbunden stellte er die Frage, ob es uns gelingen wird, die Klimakrise zu stoppen, oder ob wir unseren eigenen Untergang verursachen werden. Im Gespräch mit diesem Demonstranten, der aufgrund der Konferenzbestimmungen nicht teilnehmen durfte, wurde mir etwas klar: Die COP26 bringt viele Menschen aus der ganzen Welt zusammen, um über die Klimaproblematik zu diskutieren, aber sie spaltet die Gesellschaft auch in zwei Hälften, indem sie eine private Veranstaltung schafft, die vielen Umweltorganisationen den Zutritt verwehrt. NGOs, die nichts weniger als das Rückgrat des andauernden Kampfes sind. Aber nicht nur NGOs wurde der Zutritt verwehrt, auch Klimaexperten und andere Aktivisten wurden nicht in die so genannte „Blue Zone“ eingeladen, den von der UN verwalteten Raum, in dem politische Parteien und Delegationen die wirklich wichtigen Treffen und Podiumsdiskussionen abhalten. Und so blieben viele Stimmen ungehört.

Die zunehmende soziale Kluft zwischen führenden Politiker:innen, Wirtschaftsvertreter:innen und Umweltaktivist:innen wurde noch deutlicher, als rund 100.000 Menschen in Glasgow auf die Straße gingen, um gegen die Veranstaltung zu protestieren, indem sie die Straßen blockierten, die zur Klimakonferenz führten. Das Hauptargument der Demonstranten, die von Greta Thunberg angeführt werden, ist, dass die führenden Politiker:innen der Welt nicht genug tun. Oder wie Greta zu sagen pflegt: Sie reden nur „blah blah blah“, ohne wirkliches Engagement oder Gesetze zur Lösung der Probleme auf den Weg zu bringen.

Apropos Greta: Eines der auffälligsten Probleme der Konferenz war der Mangel an weiblichen Stimmen. Sei es bei den Staats- und Regierungschef:innen oder bei Vertretern des Wirtschaftssektors. Dies ist ein großes Hindernis bei der Suche nach Lösungen für eine Krise, von der laut UN-Statistiken Frauen viel stärker betroffen sind als Männer. Tatsächlich sind 80 Prozent der Menschen, die durch den Klimawandel vertrieben werden, Frauen. Bereits in der Vergangenheit haben die Vereinten Nationen die Notwendigkeit geschlechtersensibler Reaktionen auf die Auswirkungen des Klimawandels hervorgehoben, doch der durchschnittliche Anteil von Frauen in nationalen und globalen Klimaverhandlungsgremien liegt immer noch unter 30 Prozent.

Eine weitere Gruppe von Menschen, die bereits jetzt stark von den Folgen des Klimawandels betroffen ist, sind indigene Völker, einige von ihnen haben es in die Hallen der COP26 geschafft. Indigene Völker wie die, die im brasilianischen Amazonas-Regenwald leben, erleben die Schäden menschlicher Aktivitäten wie der Abholzung von Wäldern oder das Abbrennen von Ernten aus erster Hand. Die in Ländern wie den USA oder China verursachte Umweltverschmutzung hat bereits heute direkte Auswirkungen auf sie. Auch die Angst der Bewohner der Malediven vor der Klimakrise ist nur allzu real: Der Anstieg des Meeresspiegels auf der ganzen Welt wird die Inseln der Malediven sehr bald zu einem „märchenhaften Atlantis“ machen.

Wie engagiert ist die COP26 wirklich, diese Katastrophen zu verhindern? Die Wahl des Standorts lässt an diesem Engagement zweifeln. Expert:innen behaupten, dass die Privatjets, mit denen Hunderte von Staats- und Regierungschefs aus aller Welt nach Glasgow geflogen wurden, mehr Treibhausgasemissionen aus der Verbrennung von Treibstoff verursachten, als 1.600 Schotten in einem ganzen Jahr ausstoßen. Besser wäre es gewesen, die Konferenz in der Mitte Europas abzuhalten, so dass die Menschen die Veranstaltung leicht mit dem Zug oder anderen öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen hätten können. Auch die Auswahl der angebotenen Speisen während der Konferenz ist zweifelhaft: Im Allgemeinen gab es nur sehr wenige vegetarische oder vegane Optionen, die meisten der servierten Gerichte enthielten Fleisch (die drittgrößte umweltverschmutzende Industrie weltweit ist die Massentierhaltung). Man würde erwarten, dass die größte Klimakonferenz dieses Thema aufgreift und Innovationen in diesem Bereich vorstellt, aber das tat sie nicht. Das ist, kurz gesagt, das Problem von Cop26, oder wie Greta Thunberg es nannte, dem „Greenwash-Klimafestival“ Cop26. Die Tatsache, dass hunderte von Delegierten fossiler Unternehmen, mehr als jede nationale Delegation, auf der Konferenz begrüßt wurden, trug zu diesem Eindruck bei.

Die erste Woche der Konferenz endete damit, dass sich die Staats- und Regierungschef:innen immerhin auf die folgenden drei Hauptthemen einigten:

1. Die Länder der Welt haben sich verpflichtet, die Emissionen von Methangas (eines der schädlichsten Treibhausgase) bis 2030 um etwa 30 Prozent zu reduzieren.

2. Länder auf der ganzen Welt unterzeichneten und vereinbarten, die Abholzung der Wälder bis 2030 zu stoppen (aber, wer sagt, dass die Wälder der Welt bis dahin erhalten bleiben?)

3. Verschiedene Länder kündigten Zielsetzungen für die Reduzierung von Treibhausgasemissionen an, wobei sich einige Länder bis 2050 und andere bis 2070 verpflichteten. Die meisten von ihnen jedoch ohne echte, verbindliche Gesetze und Vorschriften.

Schätzungen und Modellen zufolge verhindern die auf der Konferenz verkündeten Beschlüsse eine globale Erwärmung um mehr als 1,9 Grad anstelle der 2,7 Grad, die vor der Konferenz in Glasgow gefordert wurden. Mit 1,9 Grad befinden wir uns immer noch in der „Roten Zone“ für die Menschheit, wie sie im IPCC-Bericht der UNO beschrieben wurde.

Zugleich hat die Konferenz deutlich gemacht, dass:

1. Erneuerbare Energien wie Solar-, Wind- und Wasserkraft zu den wichtigsten Lösungen zur Bewältigung der Krise gehören.

2. Bildung und eine systematische Änderung unserer heutigen Lebensweise dringend erforderlich sind. Wir müssen die Art und Weise, wie unsere Wirtschaft funktioniert, unseren Konsum, unsere Ernährung und unseren Verkehr systematisch von Grund auf ändern.

3. Die Klimakrise ist auch eine wirtschaftliche Chance für Länder und Unternehmen. Es kann ein deutlicher Anstieg der Investitionen in diesem Bereich verzeichnet werden. Die Bekämpfung der Klimakrise ist eine „steigende Aktie“.

Und dennoch: Während die Welt bei der Bekämpfung von COVID-19 gemeinsam und in kürzester Zeit an einem globalen Impfstoff gearbeitet hat, scheint dies in der Klimakrise noch weit entfernt. Um die vor uns liegenden Probleme zu lösen, ist eine massive Mobilisierung von Menschen aus verschiedenen Bereichen - von Unternehmen über Regierungen und Organisationen bis hin zur breiten Öffentlichkeit - erforderlich. Am wichtigsten ist jedoch, dass alle Stimmen deutlich gehört werden. Denn nur gemeinsam werden wir Erfolg haben.

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Edo Perry
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