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DER KAMPF GEGEN MENSCHENHANDEL NACH DER CORONA PANDEMIE

29. Juni 2022
Thema:Menschenrechte
Von:Cyril Zenda
Nachdem fast überall die Einschränkungen aufgrund der COVID-19-Pandemie gelockert und der internationale Reiseverkehrs wiederaufgenommen wurde, kämpfen viele verarmte afrikanische Länder weiterhin gegen Menschenhandel, dem ihre Bürger:innen oftmals mit der Hoffnung auf bessere wirtschaftliche Möglichkeiten im Ausland zum Opfer fallen.

Mehrmals täglich sendet der staatliche Fernsehsender Simbabwes Clips von Frauen, die erschütternde Geschichten von Misshandlungen, auch sexueller Art, erzählen, denen sie in Kuwait, Oman und anderen Ländern des Nahen Ostens ausgesetzt waren, in die sie verschleppt wurden.

Die meisten der Frauen geben an, dass sie mit Versprechungen von schwindelerregenden Monatsgehältern von bis zu 800 Dollar für niedere Tätigkeiten, wie z. B. als Hausmädchen, gelockt wurden, um dann festzustellen, dass sie Opfer von Menschenhandel geworden sind.

Diese Geschichten sollen die Bürger:innen davor warnen, auf Menschenhandelssyndikate hereinzufallen, die in mehreren afrikanischen Ländern ihr Unwesen treiben. Doch die Armut scheint eine stärkere Kraft zu sein als die Angst.

ARMUT MACHT OPFER UNEMPFÄNGLICH FÜR WARNUNGEN

Trotz dieser ernsten Warnungen lässt sich Barbra - eine 32-jährige alleinerziehende Mutter von drei Kindern aus Simbabwe - nicht von ihrem Entschluss abbringen, ihr Glück im Nahen Osten zu versuchen. Das Leben zu Hause war so schwierig, dass sie sich von den erschreckenden Berichten derjenigen, die in den Nahen Osten gereist sind, nicht beirren lässt und bereit ist, das Risiko einzugehen.

„Ich kenne die damit verbundenen Risiken, aber ich habe keine andere Wahl“, erzählte Barbara gegenüber FairPlanet und freute sich, als sie nach jahrelangem Warten in Harare ihren Pass erhielt.

Ihre Zuversicht gründet sich auf die Realität, mit der sie sich inzwischen abgefunden hat: Selbst wenn sie nur einen Bruchteil der riesigen Summen verdient, die ihr von den Anwerbern für diese Auslandsjobs versprochen werden, wäre das immer noch viel besser als das, was sie zu Hause mühsam verdienen muss. Der monatliche Lohn von 200 bis 300 Dollar, den die meisten Opfer nach ihrer Ankunft im Ausland erhalten, ist mehr als das, was ein durchschnittlicher Bauer nach einem ganzen Jahr harter Arbeit auf dem Land verdient.

Die unbarmherzigen Bedingungen in ihrer Heimat haben sogar einige ehemalige Opfer des Menschenhandels, die zuvor im Ausland gerettet wurden, dazu gebracht, ihr Glück in anderen Ländern zu versuchen.

BEDINGUNGEN, DIE DER SKLAVEREI SEHR ÄHNLICH SIND

Dies beunruhigt die simbabwische Regierung, die schätzt, dass Hunderte ihrer Bürger:innen in mehreren Ländern des Nahen Ostens tatsächlich versklavt sind. Sie initiiert nicht nur Aufklärungsprogramme, um die Bürger:innen davon abzuhalten, sich in die Sklaverei locken zu lassen, sondern hat inzwischen auch damit begonnen, einige von ihnen am Einsteigen in Flugzeuge auf Flughäfen zu hindern.

„Wir haben auch sehr unglückliche Situationen erlebt, in denen wir Menschen, die in andere Länder verschleppt wurden, zurückgebracht haben“, sagte der Staatssekretär für Inneres, Aaron Nhepera, im März vor Journalisten in Harare. „Ein typisches Beispiel ist Kuwait. Sie kommen von dort nach Hause zurück, nur um dann wieder in andere Länder verschleppt zu werden“, fügte er hinzu.

„Wir haben eine sehr besorgniserregende Situation: Eine Person, die aus Kuwait kam, befindet sich jetzt in Oman. Sie ist ein Fall, der jetzt zurückgeführt werden muss, aber sie ist aus eigenem Antrieb zurückgegangen. Es ist also sehr besorgniserregend. Die Regierung tut, was sie kann, um dieses Phänomen zu bekämpfen.“

Nhepera, der einem interministeriellen Ausschuss zur Bekämpfung des Menschenhandels vorsitzt, sagte, dass man sich zu diesem Zeitpunkt um die Rückführung von 18 simbabwischen Frauen aus dem Oman bemühte, wo sie Berichten zufolge arbeiteten und unter schrecklichen Bedingungen lebten.

„Wir haben gehört, dass unsere jungen Frauen in den Oman gelockt werden, um dort als Hausangestellte zu arbeiten, und dass die Bedingungen, unter denen sie dort arbeiten, der Sklaverei sehr ähnlich sind“, erklärte Nhepera. „Die Regierung ist besorgt über diese Entwicklung, und wir haben im Ausschuss über Möglichkeiten nachgedacht, wie wir unsere Bürger aus dieser Situation befreien können, die bedauerlich und inakzeptabel ist.“

AUCH SAMBIER WERDEN ANGELOCKT

Auf der anderen Seite der Grenze erlebt Sambia die gleiche Misere. Im Februar und März meldeten die sambische Einwanderungsbehörde und die Polizei einen Anstieg der Zahl der Bürger:innen, die in Länder wie Oman, Kuwait, Türkei und andere Staaten des Nahen Ostens reisten und mit dem Versprechen besserer Bezahlung gelockt wurden.

„Dies ist der dritte Vorfall in weniger als einer Woche, bei dem Sambier, die im Ausland einen Job in der Dienstleistungsbranche annehmen wollten, am Flughafen abgefangen wurden. Vier weitere Sambier, die in die Türkei und nach Pakistan wollten, wurden am 5. bzw. 4. Februar 2022 abgefangen“, erklärte der Sprecher der sambischen Einwanderungsbehörde, Namati Nshika, im Februar.

Er sagte, die Behörde habe mit Besorgnis einen wachsenden Trend festgestellt, bei dem ahnungslose Sambier:innen von sambischen Mitbürgern und Ausländern zu Reisen ins Ausland gelockt werden, dort dann aber strandeten und in einigen Fällen ausgebeutet wurden.

Da ihre Ausreisepläne von den Behörden zunehmend vereitelt werden, nehmen viele einen Umweg, indem sie in der Regel zunächst in die Nachbarländer reisen - im Falle der Simbabwer über Südafrika -, von wo aus sie Flüge zu ihren Zielen im Nahen Osten nehmen.

Im März gaben Nshika und sein Kollege vom sambischen Polizeidienst, Rae Hamoonga, eine gemeinsame Erklärung ab, in der sie bekannt gaben, dass zwei Sambierinnen, denen zuvor am Kenneth Kaunda International Airport in Lusaka das Boarding für Flüge nach Oman verweigert worden war, einen Monat später am Kamuzu International Airport in Malawi abgefangen wurden, als sie versuchten, an dasselbe Ziel zu fliegen.

„Die malawischen Behörden fingen die potenziellen Opfer des Menschenhandels ab, nachdem die sambische Regierung die malawische Regierung auf diplomatischem Wege gebeten hatte, eine der sambischen Frauen am Einsteigen zu hindern“, so die gemeinsame Erklärung.

MALAWIER IM VISIER

Die Erklärung zeigte, dass Malawi, ein weiteres armes Land im südlichen Afrika, in der Zeit nach COVID-19 mit demselben Problem des wieder aufflammenden Menschenhandels konfrontiert ist.

„Auf der Grundlage der bilateralen Zusammenarbeit und nachrichtendienstlicher Erkenntnisse zwischen den Behörden in Sambia und Malawi wurden die Sambier zusammen mit drei anderen Malawiern am 5. Februar 2022 von malawischen Einwanderungsbeamten am Kamuzu International Airport abgefangen, als sie versuchten, einen Direktflug nach Oman zu besteigen, wobei der Verdacht bestand, dass es sich um Menschenhandel handelte.

Nshika antwortete nicht auf Fragen von FairPlanet nach der genauen Zahl der Personen, denen die Ausreise verweigert wurde, weil der Verdacht bestand, dass sie Opfer von Menschenhandel waren.

Die Fälle von internationalem Menschenhandel waren aufgrund der COVID-19-Beschränkungen, die den internationalen Reiseverkehr zum Erliegen brachten, zurückgegangen. Die Pandemie hat jedoch die wirtschaftliche Lage der ohnehin schon verarmten afrikanischen Bevölkerung weiter verschlechtert, und in Verbindung mit den neuen Nöten, die durch den russisch-ukrainischen Konflikt ausgelöst wurden, hat sich die Verzweiflung noch vergrößert.

VERSTOSS GEGEN DIE FREIZÜGIGKEIT?

Die von den meisten afrikanischen Regierungen im Kampf gegen den Menschenhandel angewandte Taktik, ihre Bürger:innen physisch am Verlassen des Landes zu hindern, hat Fragen zur Freizügigkeit aufgeworfen, da einige dies mit der Inhaftierung von Bürger:innen in ihrem eigenen Land gleichsetzen.

Lloyd Kuveya, stellvertretender Direktor des Zentrums für Menschenrechte an der Universität Pretoria in Südafrika, erklärte gegenüber FairPlanet, dass die Regierungen in Fällen von Menschenhandel - auch in solchen, in denen die Betroffenen aus Verzweiflung zu „willigen“ Opfern werden - einen heiklen Balanceakt zwischen den Rechten ihrer Bürger:innen vollziehen müssen.

„Das Recht auf Menschenwürde ist eine der anerkanntesten und am meisten respektierten Grundfreiheiten“, sagte Kuveya in einer schriftlichen Antwort an FairPlanet. „Würde, Freiheit und Gleichheit stehen fast auf der gleichen Ebene der Anerkennung, da sie den Kern des Menschseins ansprechen. Der Staat hat die Pflicht, alle Menschenrechte zu schützen, die voneinander abhängen, miteinander verbunden sind und sich gegenseitig bedingen. Wann immer es konkurrierende Rechte gibt, muss man eine Abwägung zwischen den beiden Rechten vornehmen. In diesem Fall geht es um die Menschenwürde und die Freizügigkeit. Ein Recht darf eingeschränkt werden, wenn dies in einer offenen und demokratischen Gesellschaft, die die Menschenrechte achtet, vernünftig und vertretbar ist“, schrieb er. „Die Maßnahmen, die zur Einschränkung von Menschenrechten eingesetzt werden, dürfen nicht unverhältnismäßig sein und müssen notwendig sein, um die von der Regierung angestrebten Ziele zu erreichen.“

Er fügte hinzu, dass die Staaten seiner Ansicht nach verpflichtet sind, die Würde ihrer Bürger:innen zu schützen, wenn diese gefoltert oder versklavt werden.

„Es liegt in der Verantwortung des Staates, seine Bewohner:innen zu schützen, wenn deren Rechte verletzt werden könnten, sei es innerhalb seines eigenen Territoriums oder innerhalb der Grenzen eines anderen Landes. Angesichts der katastrophalen Situation der Sklaverei im Nahen Osten sind die Staaten zu Recht besorgt über das organisierte Verbrechen, das ein Netz von Menschenhandel und Sklaverei umspannt. In solchen Fällen wäre es gerechtfertigt, einzugreifen und die Praxis zu beenden.“

Kuveya wies jedoch darauf hin, dass Länder, deren Bürger:innen ihre Heimat verlassen, um in anderen Ländern unmenschlichen Lebens- und Arbeitsbedingungen ausgesetzt zu sein, Bedingungen schaffen müssen, die es ihren Bürger:innen ermöglichen, in ihrer Heimat zu bleiben und sich dort zu entfalten.

„Sie müssen günstige Bedingungen für die Schaffung von Arbeitsplätzen schaffen und dafür sorgen, dass die Menschen ihren Lebensunterhalt bestreiten können, damit sie nicht verzweifelte Maßnahmen ergreifen, um zu überleben.“

MEHR AFRIKANISCHE OPFER

Schätzungen zufolge entfallen rund 23 Prozent der weltweiten Opfer des Menschenhandels auf Afrika. Loren Landau, Forschungsprofessor am African Centre for Migration & Society an der University of Witwatersrand in Südafrika, erklärte gegenüber FairPlanet, dass das Problem tief verwurzelt sei und dass genaue Statistiken nur schwer zu bekommen seien.

„Es gibt eindeutig seit langem bestehende Muster der Ausbeutung von Arbeitskräften und der Ausbeutung von Arbeitsmigranten an vielen Orten: Europa, im Nahen Osten, in den USA und Asien. Diese sind in allen Bereichen, von der akademischen Forschung bis hin zu Berichten von Menschenrechtsorganisationen, gut dokumentiert“, sagte Landau, der auch Professor für Migration und Entwicklung an der Universität Oxford ist.

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Cyril Zenda
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Auch im Sudan kämpft man gegen den Menschenhandel, hier zeigen die Sicherheitskräfte Bürger:innen, die für Fake-Jobs das Land verlassen wollten.
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