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Die Massai in Tansania kämpfen um ihr Land

29. April 2022
Thema:Ureinwohner
Von:Robert Bociaga
„Ich bin geboren, um mein Leben zu leben“, sagt Denis Moses Oleshangai, ein junger Maasai-Aktivist aus dem Norden Tansanias, dem Dorf Endulen in der Provinz Ngorongoro, „Aber um mein Leben zu leben, muss ich meine Träume verwirklichen, also werde ich kämpfen, auch wenn es viele Gefahren oder Hindernisse für die Gemeinschaft und mich gibt." Die Massai im Norden von Tansania kämpfen weiter um ihr Land. Ihre Proteste richten sich gegen eine Regierung, die ihnen seit Jahren verbietet, ihr angestammtes Land zu nutzen. Aber wie können sie diesen Kampf führen?

In den letzten Jahren wurden viele Maasai-Aktivisten verhaftet, weil sie ihre Meinung offen äußerten. 2017 wurden in Loliondo rund 200 Maasai-Häuser niedergebrannt und ihr Vieh beschlagnahmt. Letztes Jahr kündigte die Regierung die Zerstörung der Gebäude in Ngorongoro an, zog sich aber angesichts vehementer Proteste schließlich zurück.

Darüber hinaus wurden die Massai von Ngorongoro mit einer Reihe weiterer Einschränkungen konfrontiert, die ihre Lebensgrundlage beeinträchtigen. Den traditionellen Viehzüchtern ist es nun untersagt, ihre Tiere auf nährstoffreichem Land weiden zu lassen, was zu einer höheren Sterblichkeitsrate ihres Viehs und zu Verarmung und Unterernährung in der Gemeinschaft führte. Infolge dieser Regelung starben viele Kinder, was die Situation der Menschen nur noch weiter verschlimmerte.

„Die Massai haben die Wahl zwischen Leben und Tod“, erklärt Joseph Moses Oleshangai, ein weiterer Anwalt und Aktivist aus Ngorongoro. „Wir leisten friedlichen Widerstand und machen auf diese Übergriffe aufmerksam, an die sich viele Menschen gewöhnt haben.“

„Unsere Kultur könnte ausgelöscht werden, deshalb schließen sich sowohl die Jugendlichen als auch die Älteren zusammen“, sagt er Fairplanet.org.

TANSANIAS INEFFIZIENTES RECHTSSYSTEM

Den Massai von Ngorongoro wird der Zugang zu vielen der lokalen Flüsse verwehrt und sie dürfen keine neuen Häuser und Schulen bauen. Nur wenige haben Zugang zu fließendem Wasser, so dass sie gezwungen sind, dieses von weit entfernten Dämmen und Flüssen zu holen. „Das ist Diskriminierung“, klagen mehrere Maasai-Älteste an.

Unter wachsendem Druck haben die Behörden den Menschen begrenzte Mengen an Mais und Salzlecksteinen zur Verfügung gestellt, die für ihr Vieh unerlässlich sind. Labortests haben jedoch die Verunreinigung der letzteren bestätigt. „Kein Regierungsvertreter hat sich jemals entschuldigt. Niemand wurde zur Rechenschaft gezogen“, sagt Oleshangai dazu.

Nachdem im vergangenen Jahr acht Massai-Hirten von den Park-Rangern verprügelt und einige ihrer Schafe getötet wurden, hat Denis Moses Oleshangai sich um Gerechtigkeit für die Opfer bemüht und Anzeige bei der Polizei erstattet. Die Täter wurden jedoch schnell wieder freigelassen und hatten keine Konsequenzen zu befürchten.

Ganz allgemein gesagt, „protestieren die Massai nicht für einen politischen Wandel, sondern sie wollen sich generell auf unabhängige Gerichte verlassen können, dafür haben sie sich mit einigen wichtigen politischen Multiplikatoren zusammengetan“, erklärt Denis Moses Oleshangai. „Die derzeitige Verfassung und Rechtsordnung ist das Problem.“

„Auch andere Menschen in Tansania sind mit Rechtsverletzungen konfrontiert, aber nicht in diesem Ausmaß“, kommentiert Joseph Moses Oleshangai, „Nur wenn es eine gute Verfassung und eine gute Rechtsordnung gibt, wird es eine Rechenschaftspflicht geben. „Das System muss komplett reformiert werden.“

Das Ngorongoro-Schutzgebiet (NCA), das zwischen dem Serengeti-Nationalpark und dem weltberühmten Kilimandscharo liegt, ist das meistbesuchte Schutzgebiet Tansanias und bringt jährlich Millionengewinne durch Eintrittsgelder ein. Die Massai haben im NCA schon lange vor der Gründung des Parks Rinder gehütet und leben friedlich mit den zahlreichen Wildtieren zusammen.

Einige der in der Serengeti geborenen Maasai stimmten 1958 zu, nach Ngorongoro zu ziehen, nachdem sie ein Abkommen mit der Regierung unterzeichnet hatten. Waren sie damals willkommen, werden die Ngorongoro-Bewohner heute sowohl von Regierungsbeamten als auch von einigen lokalen Medien angegriffen, weil sie sich gegen die Vertreibungen wehren.

„Die Verursacher dieser Vertreibungen sind einflussreiche Beamte“, sagte Denis Moses Oleshangai. „Wir kämpfen dagegen an, und wehren uns gleichzeitig gegen große Institutionen wie die UNESCO, die falsche Empfehlungen abgegeben haben. Das erfordert Opferbereitschaft und Entschlossenheit.“

Die Vertreibung der Massai von ihrem angestammten Land ist bereits seit Jahrzehnten ein äußerst heikles Thema. Die Regierung will den Norden Tansanias in mehrere Wildreservate verwandeln, in denen ausländische Elite-Jagdclubs untergebracht werden sollen. Die Ortelo Business Corporation, ein Unternehmen der königlichen Familie der Vereinigten Arabischen Emirate ist seit vielen Jahren an genau solchen Jagdausflügen in Tansania beteiligt, lehnte jedoch eine Stellungnahme ab.

Letztes Jahr empfahl die UNESCO auf der Grundlage von Regierungsberichten, die Massai umzusiedeln, weil Menschen und das Weiden von Vieh die Natur angeblich belasteten. Dies hat umfangreiche Proteste der Massai-Gemeinschaften in Tansania und darüber hinaus ausgelöst.

Eine unabhängige Studie aus dem Jahr 2018 entkräftete bereits die Behauptung der Regierung, dass die Zahl der Nutztiere gestiegen sei. „Wir haben im Dürrejahr 2017 etwa 70 Prozent unseres Viehbestands verloren, und nur wenige konnten neue Kühe anschaffen“, erklärt Denis Moses Oleshangai. „Die Regierung hat behauptet, dass der Viehbestand seither sehr schnell gewachsen ist und heute die Zahl von einer Million übersteigt. Das stimmt nicht.“

Nach zahlreichen Protesten und Anfragen hat die UNESCO, die die NCA 1979 wegen ihrer Naturwerte und 2010 wegen ihrer kulturellen Werte in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen hat, erst kürzlich ihre Haltung zu diesem Thema geändert und erklärt, dass sie „die Umsiedlung der Massais nicht empfiehlt“.

Seit der Unabhängigkeit im Jahr 1961 wird Tansania von der Chama Cha Mapinduzi (CCM) regiert, der dominierenden Regierungspartei des Landes und der am längsten regierenden Partei in Afrika.

„Unter Magufuli [Tansanias vorherigem Präsidenten] befand sich das Land an einem Wendepunkt in der demokratischen Entwicklung“, sagt Joseph. „Alle haben sich ihm unterworfen, außer den Massai, denn wir haben uns nie auf jemanden verlassen, außer auf uns selbst.“

Die tansanische Regierung verweigert ihren Bürgern nach wie vor das Recht, sich friedlich zu versammeln; infolgedessen ist die Rate derjenigen, die sich aktiv engagieren im ganzen Land niedrig, sagt Joseph Moses Oleshangai.

„Die Zivilgesellschaften können von uns die Kunst des Widerstands lernen. Der einzige Weg zur Demokratie ist, wenn das Volk die Regierung zur Rechenschaft zieht, und die Massai gezeigt, wie das geht“, fügt er hinzu.

Die Massai haben Treffen und Konferenzen außerhalb ihres Heimatlandes organisiert, um auf ihre Notlage aufmerksam zu machen. Avaaz, ein Netzwerk von Aktivisten, hat eine Online-Petition ins Leben gerufen, um die Vertreibungen zu stoppen.

Joseph, Denis und andere Maasai-Aktivisten haben sich auch in den sozialen Medien, bei Online-Fernsehsendern und Journalisten engagiert. Mehr und mehr lokale Medien entscheiden sich jedoch dafür, nicht mehr über das Thema zu berichten oder die Gemeinschaften im Einklang mit der Regierungsmeinung zu kritisieren.

„Die Massai wollen kein Geld aus dem lukrativen Tourismussektor“, sagt Denis Moses Oleshangai. „Wir sind auch nicht gegen den Naturschutz. Wir wollen einfach nur nicht aus unserer Heimat vertrieben werden.“

„Natürlich gehört das NCA nicht nur den Maasai, aber welches nationale Interesse gibt es daran, 100.000 Menschen zu vertreiben?“, fragt er.

Für sie alle ist der Aktivismus eine wichtige Methode, um die Rechte der Gemeinschaft zu verteidigen.

Denis Moses Oleshangai bewundert viele einflussreiche Denker für ihre friedlichen Wege der Konfliktlösung - den Dalai Lama, Martin Luther King Jr., Abraham Lincoln, Nelson Mandela und Henry Dunant, um nur einige zu nennen.

„Freiheit wird niemals freiwillig vom Unterdrücker gegeben; sie muss von den Unterdrückten gefordert werden“, ist Denis' Lieblingszitat von Luther King.

„Es ist unsere Pflicht, zu kämpfen. Ich bin froh, Anwalt und so Teil des Wandels hin zu einer transparenteren Gesellschaft zu sein“, erklärt er. „[Aber] alle Bürgerinnen und Bürger müssen gemeinsam für den Wandel kämpfen."

Artikel geschrieben von:
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Robert Bociaga
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